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Wir, die Mitglieder von Nichtregierungs- und Basisorganisationen aus verschiedenen Teilen der Welt haben uns in Prag getroffen und folgende Erklärung zu einem Zeitpunkt unterzeichnet, als uns die Nachricht erreichte, daß das Jahrestreffen 2000 des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorzeitig abgebrochen wurde. In Anbetracht der vielen geplanten Sitzungen - inklusive der Treffen mit NGOs, die abgesagt wurden - klingt die Begründung, daß die Delegierten ihre Arbeit einfach beendet hätten, mehr als hohl. Wir glauben vielmehr, daß die Suspendierung des letzten Konferenztages das Eingeständnis der Unglaubwürdigkeit der genannten Institutionen widerspiegelt. Konfrontiert mit dem starken Protest von Organisationen wie den unseren und der allgemeinen Ablehnung ihrer leeren Rhetorik über "Armutsbekämpfung" und "Schuldennachlass" als Antwort auf die massive Kritik an ihrer, durch ökonomische Mißwirtschaft gekennzeichneten jahrzehnelangen Amtsführung, haben sie endlich das Schweigen den Lügen vorgezogen. Unsere Herausforderung an diese Institutionen und an alle jene, die - hauptsächlich aufgrund der Last illegitimer Schulden - ihre Wirtschaftspolitik kontrollieren und diktieren, ist unbeantwortet geblieben. Unser Ruf nach einer völlig neuen globalen ökonomischen Struktur, die sich nicht an einem einzigen Modell orientiert, sondern eine Vielfalt von Alternativen für die verschiedenen Völker dieser Erde aufzeigt, wurde von diesen Institutionen weder akzeptiert noch verstanden. Wir haben uns in Prag zu einem außergewöhnlich breiten und inklusiven internationalen Protest gegen die diskriminierende und ungerechte Politik des IWF und der Weltbank zusammengeschlossen. Dabei haben wir uns gegen den undemokratischen und elitären Charakter beider Institutionen und ihrer Treffen ausgesprochen. In unseren Reihen befinden sich jugendliche Aktivisten aus 30 verschiedenen Ländern (u.a. Bangladesch, Indien, Südafrika, Argentinien, USA, Frankreich, Deutschland und Österreich) ebenso wie zahlreiche Menschen aus Zentral- und Osteuropa, die jetzt eine Bewegung gegen die Globalisierung des Finanzkapitals in dieser Region initiiert haben. Wir sind nach Prag gekommen in Solidarität mit den Millionen, die nicht in Prag sein konnten: den verarmten Frauen und Bauern in Afrika, den fristlos entlassenen ArbeiterInnen in Asien, den Bewohnern der pazifischen und karibischen Inseln, denen lebensnotwendige Kredite entzogen wurden und den jungen Frauen, die in den lateinamerikanischen Maquilas ausgebeutet werden. Aber wir haben unsere Zeit in Prag nicht nur mit dem Protestieren verbracht, sondern haben auch positive, menschenbezogene Alternativen zur Schuldenkrise und den Strukturanpassungsmassnahmen des IWF ebenso diskutiert wie zu den umwelt- und kulturzerstörerischen Infrastrukturprojekten der Weltbank, deren Wirtschafts- und Entwicklungsphilosophie auf der Ausbeutung der großen Bevölkerungsmehrheiten in den Ländern des Südens und des Ostens beruht. Gleichzeitig klagen wir den psychologischen Terror und die physische Repression an, die die tschechischen Polizeikräften vor, während und nach der IWF/Weltbank-Konferenz ausgeübt haben. Ihre Aktionen haben - über die Momente provokativen Verhaltens einiger weniger Demonstranten hinaus - während und nach den im wesentlichen friedlichen Demonstrationen Dutzende Unschuldige verletzt und Hunderte ungerechtfertigt festgenommen. Unsere Solidarität gilt den Hunderten, die noch immer gefangengehalten werden, deren sofortige Freilassung wir ebenso fordern wie ihre menschenwürdige Behandlung. Ganz besonders drücken wir unsere tiefe Sorge über Berichte aus, die von Folterungen in den tschechischen Gefängnissen sprechen. Wir haben festgestellt, daß die Weltbank selbst eingestanden hat, daß ihre Politik gescheitert ist. Ihr "World Development Report beinhaltet - trotz der in der Institution herrschenden Zensur - eine aufschlußreiche Kritik an der wachstumszentrierten Entwicklungsphilosophie, die lange Zeit hindurch die Antworten der Weltbank auf nahezu alle Fragen geprägt hat. Und ihr Bericht über die wirtschaftliche Transition in der früheren Sowjetunion und in Osteuropa hat eine zehnfache Steigerung der Armut, von 2% auf 21%, offengelegt, ein klarer Beweis dafür, daß die neoliberalen Rezepte, die vom IWF und der Weltbank verordnet wurden, wieder eine ganze Weltregion in Mitleidenschaft gezogen hat. In Anbetracht dieses Eingeständnisses durch die Weltbank fordern wir, daß sie und der IWF ebenso wie ihre bisherigen Unterstützer mit ihren Rufen nach mehr von derselben Medizin und mehr von denselben Bedingungen unverzüglich aufhören. Was die Welt braucht ist eine ökonomische Revolution, die die Kontrolle über die Wirtschaft den Menschen zurückgibt, die von ihr betroffen sind. Die Zeit ist gekommen, die Wirtschaft in den Dienst der Menschen zu stellen und nicht ganze Gesellschaften in den Dienst von ökonomischen Modellen, die in den letzten 20 Jahren versagt haben. Unsere Proteste in Prag, die denen in Melbourne, Okinawa, Genf, Chiang Mai, Washington, Seattle und unzähligen anderen Städten gefolgt sind, haben der Welt erneut die Widersprüche und Unzulänglichkeiten der Globalisierung des Finanzkapitals durch den IWF und die Weltbank vor Augen geführt. Unsere Proteste spiegeln auch die Kämpfe in Bolivien wieder, eines der vielen Länder, in denen die Bevölkerung gegen die lokalen Erscheinungsformen der globalisierten Ökonomie aufgestanden sind. Unsere Organisationen werden weiter protestieren und alles tun, um die Fehler des Systems anzuprangern, solange dieses neoliberale Modell von den Reichen und Mächtigen fortgesetzt wird. Wo immer die Institutionen auftreten werden, die sich das Recht anmaßen, für die globale Wirtschaft Entscheidungen zu treffen, werden wir dasein - als Zeugen, Aufdecker und DemonstrantInnen. Unterschriften: Focus on the Global South - Thailand (Nicola Bullard) |
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