Attacbouton.jpg (1599 bytes)

Steuerbelastung der DAX-Unternehmen zwischen 1989 - 1994

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto H. Jacobs
Dr. Christoph Spengel

Universität Mannheim

PDF:

 

In der aktuellen steuerpolitischen Diskussion vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die als hoch empfundene Steuerbelastung deutscher Unternehmen angeprangert wird. Die als Beleg angeführten Belastungsziffern übersteigen häufig die Marke von 60 Prozent. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß damit eine rechtliche und nicht die tatsächliche Steuerbelastung gemeint ist. Die rechtliche Steuerbelastung basiert auf einer typisierenden Betrachtung, die mit Ausnahme der Grundsteuer zwar alle relevanten Unternehmenssteuern einschließt, den Einfluß der steuerlichen Bemessungsgrundlagen aber weitgehend vernachlässigt. Ausgangspunkt bildet in der Regel eine mit Eigenkapital finanzierte Investition, mit der eine Rendite vor Steuern von 10 v.H. erwirtschaftet wird. Dabei wird unterstellt, daß sämtliche Gewinne steuerpflichtig sind und - soweit Kapitalgesellschaften betrachtet werden - keine Ausschüttungen erfolgen.

Abb. 1:   Rechtliche Gesamtsteuerbelastungen von Kapitalgesellschaften bei Thesaurierung im internationalen Vergleich 1989/ 1994/ 1997

Vergleicht man für die Jahre 1989, 1994 und 1997 die rechtliche Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland mit derjenigen in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Japan, den Niederlanden, Spanien und den USA, ist Deutschland in der Tat ein Hochsteuerland (Abbil-dung 1). Zwischen 1989 und 1997 ist die rechtliche Steuerbelastung einer deutschen Kapitalgesellschaft zwar um über zehn Prozentpunkte von 70,96 auf 60,53 v.H. zurückgegangen. Entlastungen brachten insbesondere die Senkungen der Körperschaftsteuersätze für einbehaltene Gewinne von 56 auf 50 v.H. im Jahr 1990 und auf 45 v.H. im Jahr 1994. Im gleichen Jahr wurde auch der Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Gewinne von 36 auf 30 v.H. reduziert. Die Übernahme der Steuerbilanzwerte für die Zwecke der Vermögensteuer und der Gewerbesteuer vom Kapital im Jahr 1993 führte ebenfalls zu einer spürbaren Verringerung der Steuerbelastung. Schließlich wird die Vermögensteuer seit Beginn des Jahres 1997 nicht mehr erhoben. Im gleichen Zeitraum waren jedoch auch Steuererhöhungen zu verzeichnen. Dies betrifft einmal den Solidaritätszuschlag, der in den Jahren 1991 und 1992 3,75 v.H. betragen hat und seit 1995 eine Höhe von 7,5 v.H. aufweist. Zum anderen ist im Bundesgebiet ein kontinuierlicher Anstieg der Gewerbesteuerhebesätze auszumachen, wobei der Wert von 409 v.H. (1989) über 432 v.H. (1994) auf 434 v.H. (1997) zugenommen hat. Während der neunjährigen Betrachtungsperiode ist die Steuerbelastung deshalb nicht kontinuierlich zurückgegangen, sondern sie ist zwischenzeitlich sogar leicht angestiegen (siehe obere Kurve in Abbildung 2). Allerdings sind die Steuerbelastungen in den anderen Ländern deutlich geringer - ausgenommen sind Frankreich und Japan -, so daß sich deutsche Unternehmen im Ergebnis weiterhin am oberen Ende der Belastungsskala befinden. Ausschlaggebend hierfür ist die hohe Belastung der Unternehmensgewinne mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer vom Ertrag.

Angesichts dieser Ergebnisse kann jedoch nicht generell gefolgert werden, daß die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen gefährdet sei. So basieren die angegebenen Belastungsziffern auf einer typisierenden Betrachtung, welche die komplizierten Vorschriften zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen nur unzureichend einbezieht. Des weiteren wird bei Kapitalgesellschaften von einer vollständigen Thesaurierung der Gewinne ausgegangen. Berücksichtigt man statt dessen Gewinnausschüttungen, dann verringert sich die Steuerbelastung in Deutschland im Gegensatz zu den anderen Ländern infolge des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes auf den niedrigeren Ausschüttungssatz. Bei Ausschüttungsquoten von 50 und 100 v.H. würde die für das Jahr 1997 ermittelte Belastung (60,53 v.H.) auf 54,36 bzw. 48,19 v.H. abnehmen, womit tendenziell eine Annäherung an das Niveau in den übrigen Ländern einhergeht. Personengesellschaften - in dieser Rechtsform werden in Deutschland über 80 v.H. aller Unternehmen geführt - unterliegen einer vergleichbaren Belastung.

Abb. 2:   Entwicklung der rechtlichen Gesamtsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland und der Gesamtsteuerbelastung aller DAX-Unternehmen zwischen 1989 und 1994

Auch empirische Befunde über die Höhe und Entwicklung der Steuerquoten der im Deutschen Aktien Index (DAX) zusammengefaßten 30 Aktiengesellschaften sprechen gegen die These vom „Hochsteuerland Deutschland“. Für den Zeitraum 1989 bis 1994 zeigt sich, daß die durchschnittlichen Ist-Steuerquoten der DAX-Unternehmen mit 54,48 v.H. (1989), 50,49 v.H. (1990), 42,88 v.H. (1991), 38,06 v.H. (1992), 28,69 v.H. (1993) und 31,43 v.H. (1994) teilweise deutlich unter den rechtlichen Belastungsziffern liegen. Die Ist-Steuerquoten reflektieren die tatsächlichen Steuerbelastungen und entsprechen dem Verhältnis der in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen Einkommen- und Ertragsteuern sowie sonstigen Steuern zum Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und dem außerordentlichen Ergebnis. Auffallend ist ferner die im Zeitablauf zunehmende Diskrepanz zwischen rechtlicher und tatsächlicher Steuerbelastung selbst wenn für die Ermittlung der rechtlichen Belastung die durchschnittlichen Ausschüttungsquoten der DAX-Unternehmen zugrunde gelegt werden (siehe mittlere Kurve in Abbildung 2). Während die Abweichung im Jahr 1989 gerade einmal 10 v.H. betragen hat, stieg sie bis zum Jahr 1994 auf 42,3 v.H. an. Die größte Differenz bestand 1993 mit 47,7 v.H. Auch wenn es sich hierbei um eine Durchschnittsbetrachtung handelt, deren Ergebnisse nicht verallgemeinert werden dürfen, ist dieser Trend deutlich sichtbar (Abbildung 2) und wird mit Blick auf die individuellen Ist-Steuerquoten bestätigt: Nur in 15 von 180 erfaßten Fällen liegt die tatsächliche über der rechtlichen Steuerbelastung (Abbildung 3). Bei der Karstadt AG, einem Handelsunternehmen, tritt diese Abweichung jedoch in vier von sechs Jahren auf. Gemessen am Durchschnitt aller DAX-Unternehmen zeichnen sich auch die dem Bankensektor angehörenden Gesellschaften in der Mehrzahl der Fälle durch eine überdurchschnittlich hohe Belastung aus. Deshalb ist anzunehmen, daß die Steuerbelastung in hohem Maße branchenabhängig ist.

 

1989

1990

1991

1992

1993

1994

Rechtliche Steuerbelastung in v.H.

·      bei Thesaurierung

·      bei Durchschnittsausschüttung DAX-Unternehmen

70,96

60,59

 .

66,39

59,30

 .

67,92

60,74

 .

68,20

61,59

 .

65,24

54,86

 .

61,50

54,47

Durchschnittsbelastung DAX-Unternehmen in v.H.

54,48

50,49

42,88

38,06

28,69

31,43

Allianz Versicherung Holding AG

32,7

11,1

0,0a

0,0 a

0,0 a

1,4

BASF AG

56,5

54,0

46,1

38,7

36,0

41,4

Bayer AG

52,3

48,4

47,2

40,0

32,6

37,2

Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG

58,4

54,5

53,0

49,7

45,6

43,5

Bayerische Vereinsbank AG

65,4c

58,0

58,9

55,7

41,1

41,9

BMW AG

60,4

54,7

42,1

22,4

7,8

32,5

Commerzbank AG

54,7

47,5

50,1

35,3

49,3

39,9

Continental AG

53,4

58,7

-1,9b

27,4

0,0 a

0,2

Daimler-Benz AG

65,7 c

63,4 c

46,6

0,0 a

0,0 a

0,0 a

Degussa AG

43,7

46,1

41,3

41,0

0,0 a

6,0

Deutsche Bank AG

60,2

48,5

52,3

46,2

42,9

39,8

Dresdner Bank AG

47,6

31,7

43,4

39,5

31,7

28,0

Henkel KGaA

41,8

47,6

58,0

39,1

36,3

24,8

Hoechst AG

49,0

50,6

48,0

39,5

8,7

25,5

Karstadt AG

60,3

63,5 c

61,5 c

70,7 c

59,7 c

54,2

Kaufhof Holding AG

56,3

57,5

58,1

50,1

46,3

37,0

Linde AG

52,9

53,2

52,3

52,3

45,3

42,4

Lufthansa AG

64,6 c

94,4 c

-35,1 b

-26,6 b

-118,0 b

8,0

MAN AG

65,0 c

65,3

54,2

47,0

34,8

0,0 a

Mannesmann AG

53,0

48,7

53,5

42,8

40,9

16,2

Metallgesellschaft AG

49,8

49,3

49,8

46,0

-1,3 b

0,0 a

Preussag AG

50,5

41,3

36,9

44,4

26,5

48,3

RWE AG

52,0

44,3

59,0

56,7

50,0

41,1

SAP AG

53,7

41,9

46,0

15,3

46,8

37,4

Schering AG

51,1

43,6

45,7

54,6

51,1

53,1

Siemens AG

46,2

33,4

38,1

44,1

20,1

6,9

Thyssen AG

57,7

44,5

38,5

40,5

100,0 c

100,0 c

Veba AG

58,1

53,9

47,7

18,4

19,9

37,6

Viag AG

54,8

47,6

43,2

43,2

42,6

44,8

Volkswagen AG

66,8 c

57,5

52,0

67,9 c

64,0 c

53,8

a)    Steuererstattung

b)   Steuerzahlung im Verlustfall

c)   Tatsächliche liegt über rechtlicher Steuerbelastung

           

Die Abbildung enthält für den Zeitraum 1989 bis 1994 verschiedene Steuerbelastungen. Zum einen ist die rechtliche Steuerbelastung für die Fälle angegeben, daß sämtliche Gewinne thesauriert oder Ausschüttungen gemäß den Durchschnittsdaten der DAX-Unternehmen vorgenommen werden (Zeile 1). Zum anderen sind die durchschnittlichen Ist-Steuerquoten (tatsächliche Steuerbelastung) der DAX-Unternehmen ausgewiesen (Zeile 2). Sie wurden aus den Einzelabschlüssen ermittelt und entsprechen dem Verhältnis der darin ausgewiesenen Einkommen- und Ertragsteuern sowie sonstigen Steuern zum Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und dem außerordentlichen Ergebnis. Schließlich wurden auch die tatsächlichen Steuerbelastungen der einzelnen Gesellschaften berechnet.

Der Vergleich der tatsächlichen Steuerbelastungen mit der rechtlichen Belastung unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Ausschüttung zeigt, daß die tatsächliche Belastung nur in 15 von 180 Fällen über der rechtlichen liegt. Als ökonomische Erklärungsvariable für dieses Resultat könnte in erster Linie der im Untersuchungszeitraum im Zuge der Internationalisierung stark angestiegene Anteil der Beteiligungserträge am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit dienen. Diese Kennzahl bringt zum Ausdruck, daß ein immer größerer Anteil des Gesamterfolgs von in- und ausländischen Tochtergesellschaften erwirtschaftet und versteuert wird. Die betreffenden Steuerzahlungen werden nicht in den hier betrachteten Einzelabschlüssen ausgewiesen. Daneben spielt die Höhe der Ausschüttungsquoten eine Rolle. Die Entwicklungen beider Variablen werden beispielhaft für die Allianz Versicherung Holding AG, die Daimler-Benz AG, die Karstadt AG, die Siemens AG und die Thyssen AG wiedergegeben:

- Allianz Versicherung Holding AG: Anstieg des Anteils der Beteiligungserträge an den gesamten Erträgen aus Kapitalanlagen von 64,3 auf 70,6 v.H. und Rückgang der Ausschüttungsquote von 70,8 auf 66,7 v.H., jedoch bei einem Höchstwert in 1993 von 150,5 v.H. Daneben dürften versicherungstechnische Besonderheiten einen Einfluß auf die geringe Steuerquote haben.

- Daimler-Benz AG: Anstieg des Anteils des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 127,0 auf 292,3 v.H. und Erhöhung der Ausschüttungsquote von 49,5 auf 99,9 v.H.

- Karstadt AG: Die Karstadt AG ist die einzige Gesellschaft, deren tatsächliche Belastung in der Mehrzahl der betrachteten Jahre über der rechtlichen Steuerbelastung liegt. Dementsprechend unterscheidet sich auch die Entwicklung der betrachteten Kennzahlen: Anstieg des Anteils des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 23,9 auf lediglich 52,4 v.H. und geringe Erhöhung der Ausschüttungsquote von 70,6 auf 75,7 v.H.

- Siemens AG: Anstieg des Anteils des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 17,0 auf 161,2 v.H. und Erhöhung der Ausschüttungsquote von 64,2 auf 86,9 v.H.

- Thyssen AG: Die Thyssen AG weist in den beiden letzten Jahren des Untersuchungszeitraums Steuerquoten von 100 v.H. aus, obwohl der Anteil des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 69,9 auf 389,8 v.H. zugenommen hat. Dem steht allerdings ein Rückgang der Ausschüttungsquote von 61,0 v.H. auf Null (1993 und 1994) sowie eine Verminderung der Eigenkapitalrentabilität von 12,4 v.H. auf ebenfalls Null gegenüber (1993 und 1994). Infolgedessen wird der gesamte Jahresüberschuß in 1993 und 1994 durch Steuerzahlungen aufgezehrt.

Abb. 3:   Gesamtsteuerbelastungen der DAX-Unternehmen zwischen 1989 und 1994

Eine Erklärung für die sinkenden Steuerquoten der DAX-Unternehmen liefern einmal die im Untersuchungszeitraum eingetretenen Steuerentlastungen. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Verminderungen des Körperschaftsteuersatzes für einbehaltene Gewinne von 56 auf 50 v.H. (1990) bzw. auf 45 v.H. (1994) einerseits sowie des Ausschüttungskörperschaftsteuersatzes von 36 auf 30 v.H. (1994) andererseits. Von der Reduzierung der Ausschüttungsbelastung profitierten insbesondere jene Unternehmen, die hohe Bestände an Rücklagen aus Gewinnen aufwiesen, die vor 1990 erzielt wurden. Da die Gewinnrücklagen in solchen Fällen überwiegend noch mit 56 v.H. belastet waren, reduzierte sich die Körperschaftsteuer im Ausschüttungsfall zwischen 1989 und 1992 um 20 und ab 1993 sogar um 26 Prozentpunkte. Bei der Ermittlung der rechtlichen Steuerquoten wurden dagegen lediglich Körperschaftsteuerminderungen von 20 (1989 und 1993), 14 (1990 bis 1992) bzw. 15 Prozentpunkten (1994) zugrunde gelegt.

Auch die Möglichkeit einer steuerneutralen Weiterleitung von steuerfreien Auslandserträgen, die durch das Standortsicherungsgesetz 1993 eröffnet wurde und zum 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist (§ 8b KStG), wirkt sich mindernd auf die tatsächliche Steuerquote aus. So führt beispielsweise die Hoechst AG in ihrem Geschäftsbericht 1994 aus, daß wegen § 8b KStG erstmals steuerfreie Gewinne von 293 Mio. DM ausgeschüttet wurden. Vor dem Jahr 1993 hätte eine derartige Ausschüttung eine Körperschaftsteuererhöhung von 36 v.H., also von 105,48 Mio. DM ausgelöst. Diese Sachverhalte wurden bei der Berechnung der rechtlichen Steuerbelastung ebenfalls nicht berücksichtigt, da ausschließlich steuerpflichtige Erträge unterstellt werden. Aus dem gleichen Grund wurden auch steuerfreie Erträge, insbesondere im Untersuchungszeitraum im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung gewährte Subventionen, nicht berücksichtigt, obwohl sie den Jahresüberschuß erhöhten.

Als steuerliche Erklärungsvariable scheiden allerdings zum einen laufende Unterschiede bei der Ermittlung des handelsrechtlichen Jahresüberschusses und des körperschaftsteuerlichen Gewinns aus (z.B. Unterschiede zwischen handels- und steuerrechtlicher Abschreibung). Denn derartige Differenzen würden allenfalls ein Beleg dafür sein, daß die Ist-Steuerquote unter der rechtlichen Steuerquote liegt. Den für den Untersuchungszeitraum zu konstatierenden überproportionalen Rückgang der Ist-Steuerquote können diese Unterschiede jedoch nicht erklären. Zum anderen liefert auch die Übernahme der Steuerbilanzwerte für die Substanzsteuern keine plausible Begründung für die im Zeitablauf stark sinkenden Steuerquoten, da dieser Tatbestand auch bei der Berechnung der rechtlichen Steuerquoten berücksichtigt wurde.

Abb. 4:   Entwicklung der Eigenkapitalquoten, Eigenkapitalrentabilitäten, Ausschüttungsquoten und des Anteils des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aller DAX-Unternehmen zwischen 1989 und 1994

Im Vergleich zu den angesprochenen Steuerrechtsänderungen dürfte der Entwicklung wichtiger ökonomischer Größen der untersuchten Aktiengesellschaften eine größere Bedeutung für die festgestellten Ergebnisse zukommen. Als ökonomische Erklärungsvariable wurden Eigenkapitalquote, Eigenkapitalrentabilität, Anteil des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sowie Ausschüttungsquote ausgewählt.

Die Entwicklung der Eigenkapitalquote gibt Aufschluß darüber, ob sich Kapitalstruktureffekte auf die Ist-Steuerbelastung ausgewirkt haben. Da Fremdkapitalzinsen im Gegensatz zu Dividenden steuerlich abzugsfähig sind, ist die Fremd- der Eigenkapitalfinanzierung aus steuerlicher Sicht grundsätzlich überlegen. Allerdings ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote der DAX-Unternehmen im Untersuchungszeitraum nahezu konstant geblieben (siehe Abbildung 4) - die Werte für 1989 und 1994 betragen 39,60 bzw. 39,86 v.H., der höchste Wert liegt bei 41,87 v.H. (1990) -, so daß Kapitalstruktureffekte nicht pauschal als Erklärung für die Verringerung der Ist-Steuerquoten herangezogen werden können. Für den Einzelfall kann dies jedoch durchaus Gültigkeit haben. Die drei Gesellschaften mit den größten Schwankungen der Eigenkapitalquoten - Continental AG (zwischen 62,1 und 38,9 v.H.), Lufthansa AG (zwischen 38,6 und 19,6 v.H.) die Metallgesellschaft AG (zwischen 29,0 und 4,1 v.H.) sind gleichzeitig die einzigen, für die negative Steuerquoten ermittelt werden (siehe Abbildung 3). Dies bedeutet, daß im Verlustfall Steuerzahlungen angefallen sind.

Auf den ersten Blick könnte man einen Zusammenhang zwischen der rückläufigen Eigenkapitalrentabilität und der sinkenden Steuerquote der DAX-Unternehmen vermuten. Während die durchschnittliche Eigenkapitalrendite nach Steuern im Jahr 1989 noch 7,99 v.H. betragen hat, sinkt sie bis 1993 auf 5,26 v.H. Für das Jahr 1994 ist ein Anstieg auf 6,41 v.H. zu verzeichnen (siehe Abbildung 4). Dieser vermeintliche Zusammenhang zeigt sich auch bei einer Analyse der Einzelabschlüsse: So erzielen beispielsweise die Daimler-Benz AG in den Jahren 1993 und 1994 mit 2,2 und 2,7 v.H. (Höchstwert: 28,5 v.H.) und die Degussa AG im Jahr 1993 mit 3,9 v.H. (Höchstwert: 8,8 v.H.) ihre niedrigsten Eigenkapitalrentabilitäten im Untersuchungszeitraum und weisen gleichzeitig Steuerquoten von Null aus. Da aber auch die Steuerquote der Allianz Versicherung Holding AG zwischen 1991 und 1993 Null beträgt, obwohl die Eigenkapitalrendite von 4,4 auf 6,8 v.H. ansteigt (Höchstwert: 11,9 v.H.), müssen gleichzeitig weitere Einflußfaktoren Wirkung entfalten. Auch aus einem anderen Grund läßt sich eine sinkende Eigenkapitalrendite nicht als Begründung für eine Verringerung der Ist-Steuerquoten anführen. Denn infolge des Rückgangs der Erträge sinken gleichzeitig die Ertragsteuern, wohingegen die ertragsunabhängigen Steuern davon nicht betroffen sind und ihr relativer Anteil an der Gesamtbelastung somit zunimmt. Im Ergebnis würde man deshalb steigende Steuerquoten erwarten.

In diesem Zusammenhang ist der Entwicklung der Ausschüttungsquote eine große Bedeutung beizumessen. Während des Untersuchungszeitraums lag sie durchweg über 60 v.H. und hat in den Jahren 1989 (71,6 v.H.), 1990 (70,7 v.H.) sowie 1993 (70,8 v.H.) die 70prozentmarke überschritten (siehe Abbildung 4). Der Einfluß hoher Ausschüttungsquoten auf die Steuerbelastung wird durch die bereits angesprochenen Steuersatzänderungen verstärkt. Von besonderer Relevanz ist dabei das Jahr 1993, in dem die Gesellschaften erstmals von der Reduzierung der Ausschüttungsbelastung auf 30 v.H. profitieren und gleichzeitig steuerfreie Auslandsgewinne ohne Zusatzbelastung auskehren können. Ausschüttungsquoten nahe 100 v.H. und mehr in den Jahren 1993 oder 1994 sind bei der Daimler-Benz AG (99,9 v.H.), Degussa AG (100,0 v.H.), Henkel KGaA (100,4 v.H.), Kaufhof Holding AG (100,0 v.H.), MAN AG (100,0 v.H.), Preussag AG (100,6 v.H.), RWE AG (99,9 v.H.) und Allianz Versicherung Holding AG (150,5 v.H.) festzustellen. Sofern die ausgeschütteten Gewinne vor (nach) 1990 erwirtschaftet wurden und in Deutschland der Besteuerung unterlagen, ergab sich eine Körperschaftsteuerminderung von 26 (20) Prozentpunkten. Bei steuerfreien Auslandsgewinnen entfällt seit 1993 eine Körperschaftsteuererhöhung.

Eine Erklärung für die sinkenden Steuerquoten liefert schließlich auch der Anteil des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Im Untersuchungszeitraum ist diese Quote von 1989 (43,36 v.H.) bis 1993 (126,5 v.H.) kontinuierlich angestiegen, im Jahr 1994 war sie leicht rückläufig (112,29 v.H.) (siehe Abbildung 4). Diesem Trendverlauf entsprechende Quoten zeigen sich z.B. bei der Degussa AG (Anstieg von 72,3 auf 130,7 v.H.) und der Mannesmann AG (Anstieg von 50,9 auf 131,5 v.H.). Dagegen fällt diese Relation bei der Karstadt AG (Anstieg von 23,9 auf 52,4 v.H.) und der Linde AG (Rückgang von 29,1 auf 26,1 v.H.) vergleichsweise gering aus. Im Gegenzug weisen beide Gesellschaften zum Ende des Untersuchungszeitraums überdurchschnittlich hohe Steuerquoten aus (siehe Abbildung 3). Ein vergleichsweise hoher Anteil des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ist z.B. bei der Daimler-Benz AG (Anstieg von 127,0 auf 292,3 v.H.) und der Siemens AG (Anstieg von 17,0 auf 161,2 v.H.) festzustellen, wobei beide Gesellschaften gleichzeitig in einzelnen Perioden ein negatives Betriebsergebnis ausweisen. Auch bei verhältnismäßig jungen Gesellschaften wie der Walldorfer SAP AG ist ein zunehmender Anteil des Beteiligungsergebnisses festzustellen (Anstieg von Null auf 17,6 v.H.).

Der Anstieg des Beteiligungsergebnisses dürfte im wesentlichen zwei Ursachen haben: Zum einen erfolgten im Zuge der Europäisierung bzw. Internationalisierung während des Untersuchungszeitraums zahlreiche Akquisitionen und Umstrukturierungen und zum anderen werden vermutlich Gewinne vermehrt durch eine entsprechende Gestaltung von Verrechnungspreisen in das niedrig besteuernde Ausland verlagert. Infolge dessen wird ein immer größerer Anteil des Gesamterfolgs von inländischen und ausländischen Tochtergesellschaften erwirtschaftet und dort auch versteuert. Die betreffenden Steuerzahlungen erscheinen dann nicht mehr in den hier betrachteten Einzelabschlüssen der DAX-Unternehmen. Die Substitution von vormals operativen Erfolgen durch Beteiligungserträge reduziert demnach die auf der Grundlage von Einzelabschlüssen ermittelten Steuerquoten, und zwar auch dann, wenn die Gewinne von den Tochtergesellschaften ausgeschüttet werden. Sieht man einmal von Organschaftsverhältnissen ab, so sind Gewinnausschüttungen von deutschen Tochtergesellschaften zwar steuerpflichtig. Allerdings sind die Dividenden mit einem Körperschaftsteueranrechnungsanspruch verbunden, so daß die darauf entfallende Körperschaftsteuerzahlung unter Berücksichtigung der im Untersuchungszeitraum eingetretenen Steuersatzänderungen lediglich 20 (1989), 14 (1990 bis 1993) bzw. 15 v.H. (1994) beträgt. Ausschüttungen von ausländischen Tochtergesellschaften oder Betriebsstättengewinne aus Ländern, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, sind steuerbefreit, weshalb in Deutschland abgesehen von Quellensteuern überhaupt keine Steuerzahlungen anfallen. Da die Bundesrepublik über ein großes Abkommensnetz verfügt - es umfaßt knapp 80 Doppelbesteuerungsabkommen - dürfte die Steuerfreistellung für Auslandsgewinne dem Regelfall entsprechen.

Die gerade angeführten Zusammenhänge lassen sich aufgrund fehlender Angaben in den Einzelabschlüssen zwar nicht belegen. Denn anhand der Daten ist nicht ersichtlich, wie hoch die Anteile der in- und ausländischen Beteiligungserträge sind. Als Indiz hierfür könnten allenfalls die Angaben der Allianz Versicherung Holding AG, der Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG, der Commerzbank AG, der Deutsche Bank AG sowie der Mannesmann AG dienen, die in ihren Geschäftsberichten auf die zunehmende Bedeutung im Ausland erwirtschafteter Gewinne hinweisen. Weitere Erkenntnisse sind zu erwarten, wenn man zusätzlich die Konzernabschlüsse der betreffenden Gesellschaften heranzieht. Auf diese Weise kann insbesondere überprüft werden, ob infolge der Internationalisierung der deutschen Wirtschaft Gewinne zunehmend im Ausland anfallen. Gleichzeitig sollten auch die Abschlüsse kleinerer Unternehmen in die Analyse einbezogen werden, um größenabhängige Einflüsse auf die Höhe der Steuerbelastung festzustellen. Beides wird gegenwärtig untersucht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Steuerquoten der 30 DAX-Unternehmen zwischen 1989 und 1994 im Vergleich zur rechtlichen Steuerbelastung stark rückläufig sind. Während die Abweichung im Jahr 1989 gerade einmal 10 v.H. betragen hat, stieg sie bis zum Jahr 1994 auf 42,3 v.H. an. Ausschlaggebend hierfür sind steuerliche und ökonomische Einflüsse, die sich in ihren Wirkungen auch gegenseitig verstärken können. Hinsichtlich der Steueränderungen dürfte der Verringerung der Ausschüttungsbelastung die größte Bedeutung beizumessen sein. Von den ausgewählten ökonomischen Größen liefern insbesondere der zunehmende Anteil des Beteiligungsergebnisses am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und der Verlauf der Ausschüttungsquoten eine Erklärung für die überproportionale Abnahme der Ist-Steuerquoten.

Quelle: Blick durch die Wirtschaft vom 10.7.1997, S. 11

Literaturhinweise

·     Hoppenstedt Bilanzdatenbank

·     Jacobs, O.H. (Hrsg.), Internationale Unternehmensbesteuerung, 4 Aufl., München 1999

·     Jacobs, O.H., Steuerliche Vorteilhaftigkeit des Einsatzes von Eigen- und Fremdkapital bei der internationalen Konzernfinanzierung, in: Steuer und Wirtschaft 1996, S. 26-42

·     Jacobs, O.H./ Spengel, C., European Tax Analyzer, Baden-Baden 1996

·     Spengel, C., Europäische Steuerbelastungsvergleiche, Düsseldorf 1995