Die Unternehmensbesteuerung in Deutschland wird häufig als mittelstandsfeindlich und als international zu hoch bezeichnet. Im folgenden soll überprüft werden, ob diese Aussagen durch Berechnungen bestätigt werden können, indem die Steuerbelastung deutscher mittelständischer Unternehmen mit jener der großen multinationalen Unternehmen verglichen wird. Daneben wird überprüft, ob die Steuerbelastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich tatsächlich höher ist und worin die Ursachen hierfür liegen. Steuerquote multinationaler Unternehmen geringer als im Mittelstand Empirische Studien an den Universitäten von Münster und Mannheim weisen in Deutschland für den Zeitraum 1990 bis 1995 für mittelständische Unternehmen deutlich höhere Steuerbelastungen als für börsennotierte multinationale Konzerne aus. Bei den ermittelten Steuerbelastungen handelt es sich um Ertragsteuerquoten, die anhand der Bilanzen - Einzelabschluß für mittelständische Unternehmen und Konzernabschluß für börsennotierte Konzerne - berechnet wurden. Dabei entspricht die Ertragsteuerquote dem Verhältnis von Steuern vom Einkommen und Ertrag zum Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit. Zurückzuführen ist die geringere Ertragsteuerquote der börsennotierten Unternehmen auf die Tatsache, daß es sich um weltweit tätige Konzerne handelt, bei denen die in Deutschland erzielten und versteuerten Gewinne zu Gunsten der im Ausland erwirtschafteten und dort versteuerten Gewinne zurückgehen. Mittelständische Unternehmen sind dagegen überwiegend im Inland tätig, so daß der Hauptteil ihrer Gewinne in Deutschland anfällt und dort auch versteuert wird. Aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit profitieren die Konzerne im Gegensatz zu mittelständischen Unternehmen somit vom internationalen Steuergefälle, das aus deutscher Sicht im Verhältnis zu vielen Ländern besteht. Steuerquote multinationaler deutscher Unternehmen deutlich höher als im Ausland Die vergleichsweise geringen Konzernsteuerquoten erlauben jedoch keine Rückschlüsse auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne. Ein Blick auf die an der Mannheimer Universität ermittelten Konzernsteuerquoten in anderen wichtigen Industrienationen - Frankreich (CAC40), Niederlande (AEX25), USA (DJ Comp65), Großbritannien (FTSE100) sowie einen als Benchmark herangezogenen europäischen Aktienindex (DJ Stoxx50) - zeigt, daß deutsche Konzerne ihre Wettbewerbsposition im Verlauf der letzten zehn Jahre zwar verbessern konnten, die ausländischen Quoten allerdings weiterhin unter der deutschen Quote liegen. Abb. 1: Ertragsteuerquoten von Konzernen im internationalen Vergleich Die Steuerquoten werden zwar von vielen Faktoren beeinflußt, allerdings haben statistische Auswertungen ergeben, daß die tarifliche Steuerbelastung im jeweiligen Sitzstaat der Konzernmuttergesellschaft einen großen Einfluß hat. Mit einem kombinierten Ertragsteuersatz (Körperschaft- und Gewerbesteuer) von über 50% steht Deutschland derzeit an der Spitze der Skala. Deutsche Steuerbelastung in internationalen Vergleich relativ hoch Diese hohe nominale Belastung der Gewinne ist auch ausschlaggebend dafür, daß deutsche Unternehmen hinsichtlich der Höhe der effektiven Steuerbelastung im internationalen Vergleich verhältnismäßig schlecht abschneiden. Dies belegen Berechnungen mit Hilfe des Computersimulationsprogramms „European Tax Analyzer“, der in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) entwickelt wurde. Dieses Programm ermittelt die effektiven Steuerbelastungen von Unternehmen in verschiedenen Ländern über einen mehrperiodigen Zeitraum (10 Jahre), wobei die verschiedenen Steuersysteme, Steuerarten, Bemessungsgrundlagen und Tarife berücksichtigt werden. In der aktuellen Version sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande und USA implementiert. Im Ausgangsfall werden die Berechnungen für ein Unternehmen durchgeführt, dessen Bilanz, Finanz- und Erfolgsrelationen typisch für ein mittelständisches Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland sind (siehe Tabelle 1). Da das Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH geführt wird, kann systematisch zwischen der Belastung des Unternehmens und der Gesamtebene unter Einbezug der Gesellschafter unterschieden werden. Tab. 1: Unternehmenssteuerbelastung im internationalen Vergleich
Unter Zugrundelegung der steuerlichen Rahmendaten zu Beginn des Jahres 2000 ist die Steuerbelastung auf Unternehmensebene in Deutschland zwar geringer als in Frankreich (‑3,2 Mio. DM, ‑14,7%), sie übersteigt jedoch deutlich diejenige in Großbritannien (6,5 Mio. DM, 29,6%) und den Niederlanden (4,9 Mio. DM, 22,1%) und ist auch etwas höher als in den USA (1,0 Mio. DM, 4,6%). Anhand der Ergebnisse (siehe Tabelle) zeigt sich, daß die hohe effektive Steuerbelastung in Deutschland aus der hohen Belastung mit Ertragsteuern resultiert. Im Vergleich dazu sind die Ertragsteuerbelastungen in Frankreich (‑37,2%), Großbritannien (‑37,2%), den Niederlanden (‑22,7%) und den USA (‑11,5%) teilweise deutlich geringer. Dagegen kann die ertragsunabhängige Besteuerung (Grundsteuer) in Deutschland seit dem Wegfall der Vermögensteuer (1997) und der Gewerbesteuer vom Kapital (1998) im Ergebnis vernachlässigt werden. Diesbezüglich weisen alle anderen Länder höhere Belastungen auf, wobei insbesondere die Situation in Frankreich hervorzuheben ist. Dort beträgt der Anteil der ertragsunabhängigen Steuern (Grundsteuer, taxe professionnelle und Arbeitgebersteuern) an der Gesamtsteuerbelastung nahezu 46%, womit der im Vergleich zu Deutschland bestehende Vorteil hinsichtlich des Ertragsteuerniveaus sogar überkompensiert wird. Steuerbelastungsunterschiede hängen vom betrachteten Unternehmen ab Die Belastungsdifferenzen sind stets das Ergebnis des konkreten Einzelfalls und dürfen deshalb nicht generalisiert werden. Je nach Branche und somit je nach Ausprägung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, an die die nationalen Steuersysteme anknüpfen, können die Belastungsdifferenzen unterschiedlich ausfallen. Dies wird besonders deutlich, wenn man ein Unternehmen des Baugewerbes betrachtet, das im Gegensatz zum Ausgangsunternehmen geringe Gewinne erwirtschaftet. In diesem Fall wird die Gesamtsteuerbelastung sehr stark durch die ertragsunabhängigen Steuern bestimmt. Aufgrund des großen Einflusses der Substanzsteuern ergibt sich in Frankreich die mit Abstand höchste Belastung (Abb. 2). Eine im Vergleich zum Ausgangsunternehmen deutlich geringere Erfolgslage ist auch bei Unternehmen in den Branchen Handel, Eisenschaffende Industrie und Ernährungsgewerbe ursächlich für die vergleichsweise günstige Belastungssituation in Deutschland. Bei dem Unternehmen des Verkehrssektors verbessert sich der Standortnachteil aus deutscher Sicht ebenfalls, da sich aufgrund der hohen Anlagenintensität die günstigen Abschreibungsbedingungen in Deutschland positiv auswirken. Für Unternehmen der Chemischen Industrie und für Dienstleistungsunternehmen verschlechtert sich die Belastungssituation in Deutschland dagegen geringfügig, wofür unterschiedliche Faktoren auszumachen sind. Im Ergebnis schlägt in der Chemischen Industrie die vergleichsweise hohe Eigenkapitalquote durch, weshalb sich in diesem Fall die Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung durch die Gewerbesteuer besonders bemerkbar macht. Für den Dienstleistungsbereich ist eine überdurchschnittlich gute Erfolgslage maßgebend. Abb. 2: Branchenabhängige Steuerbelastungsunterschiede aus deutscher Sicht
Im Ergebnis hat die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer bestimmten Branche zwar einen entscheidenden Einfluß auf die Höhe der Steuerbelastung. Allerdings verschiebt sich die Rangfolge der zwischenstaatlichen Belastungsdifferenzen im Vergleich zum Ausgangsunternehmen im Grundsatz nicht. Während die deutsche Belastung annähernd der US-amerikanischen entspricht, ist die Belastung in Frankreich durchweg höher als in Deutschland. Britische und niederländische Kapitalgesellschaften sind dagegen spürbar geringer belastet. Bei Berücksichtigung des Gesellschafters verbessert sich die deutsche Situation Die Steuerbelastungsunterschiede auf Unternehmensebene lassen keine generellen Schlußfolgerungen für die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den einzelnen Staaten zu. Gerade aus Sicht mittelständischer Unternehmen ist die Gesamtebene, also die Ebene des Unternehmens und der dahinter stehenden Gesellschafter, häufig die relevante Ebene. Dabei zeigt sich, daß die unterschiedlichen nationalen Körperschaftsteuersysteme und Einkommensteuertarife die Belastungsdifferenzen auf Unternehmensebene zu einem beträchtlichen Maße nivellieren. So geht beispielsweise der Unterschied bei der Effektivbelastung auf der Gesamtebene zwischen Deutschland und den Niederlanden deutlich zurück, da im klassischen System der Niederlande Dividenden doppelt mit Einkommen- und Körperschaftsteuer belastet werden, während das deutsche Vollanrechnungssystem eine Einmalbelastung mit Einkommensteuer (zuzüglich Gewerbesteuer) sicherstellt. Aber auch gegenüber Frankreich, das ebenfalls ein Vollanrechnungssystem praktiziert, stellt sich die Belastung in Deutschland auf der Gesamtebene günstiger dar als auf Unternehmensebene. Dies ist vor allem auf die dort neben der Einkommensteuer erhobene Vermögensteuer zurückzuführen. Dagegen verschlechtert sich das Ergebnis gegenüber den USA, was im wesentlichen aus der hohen einkommensteuerlichen Belastung in Deutschland resultiert. Abb. 3 Vergleich der Steuerbelastung von Kapitalgesellschaft, Anteilseignern und auf Gesamtebene Fazit Deutschland und Frankreich sind im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA auf Unternehmensebene Hochsteuerländer. Bei Betrachtung der für den Mittelstand relevanteren Gesamtebene unter Einbeziehung der Gesellschafter ist diese Aussage allerdings zu relativieren. Die relativ ungünstige Belastungssituation aus deutscher Sicht ist auf das hohe Ertragsteuerniveau zurückzuführen. Das zwischenstaatliche Steuergefälle begünstigt multinationale Konzerne. Aufgrund ihrer Tätigkeit sind diese eher als kleine und mittelständische Unternehmen in der Lage, unternehmerische Aktivitäten in das i.d.R. niedriger besteuernde Ausland zu verlagern, was zu einer Absenkung der Gesamtsteuerlast (auf Konzernebene) führt. Allerdings haben ausländische Konzerne z.T. beträchtlich niedrigere Steuerquoten. Die Berechnungsergebnisse des „European Tax Analyzer“ und die empirischen Befunde zeigen die Dringlichkeit einer deutlichen Reduktion insbesondere der Ertragsteuersätze in Deutschland. Dadurch ließe sich zum einen die internationale steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verbessern. Zum andern könnten vermutlich die größenabhängigen Besteuerungsunterschiede in Deutschland einerseits sowie die steuerlichen Nachteile international tätiger deutscher Konzerne andererseits vermindert werden. Von daher ist die für das Jahr 2001 angekündigte Absenkung der körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung auf 25% ein richtiger Schritt. Die vorgesehene Einführung eines Halbeinkünfteverfahrens anstelle des Anrechnungsverfahrens wird die Entlastungen für Unternehmen auf der Gesamtebene aber zu einem erheblichen Teil kompensieren. |